In den letzten Wochen ist wieder jede Freizeit in den Defender geflossen. Dabei steht mit „Ruby“ ein fertiger Camper vor der Tür. Da der Sommer sich dem Ende neigt, möchte ich noch einen kleinen Trip starten. Heute ist es endlich soweit! Mein kleiner Camper „Ruby“ wird mit dem Nötigsten bepackt und dann geht der Roadtrip auch schon los. Da ich so viel mit dem Defender um die Ohren habe, hat die Zeit für eine gezielte Reiseplanung nicht ausgereicht. Ich wollte allerdings schon immer in die Dolomiten. Die neuen Bergschuhe wollen auch eingelaufen werden, das passt! Die Strecke an einem Tag zurücklegen, möchte ich allerdings nicht und so halte ich auf dem Fernpass am Heiterwanger See an.
Das Filmset
Ich erfreue mich in den Abendstunden an einem wunderschönen Spaziergang um den See. Am Ufer schaue ich der Sonne zu, wie sie langsam hinter der Bergkette verschwindet. Der Ort und das Licht in diesem Moment wirken wie ein Filmset für einen romantischen Heimatfilm.
Ein paar Stunden und einige heiße Würstels später frier ich hinten in meinem kleinen Camper. Der neue Fleecepullover und mein Schlafsack geben ihr Bestes und so wärmt sich der Kokon langsam auf. Dennoch habe ich in dieser Nacht öfter an den Defender und seine Standheizung gedacht.
Mc Donald und der Zucker
Am nächsten Morgen weckt mich das Trommeln des Regens auf dem Autodach. Mühsam quäle ich mich aus meinem Schlafsack und gönne mir erst einmal eine heiße Dusche. Danach setze ich die Fahrt in Richtung Dolomiten fort. An der Europabrücke ist der einzige Mc Donald, den ich gerne betrete, denn die Aussicht mit der Panorama-Verglasung ist wirklich sehenswert. Außerdem kostet der Espresso hier nur 1 Euro und genau den brauch’ ich jetzt! Kaffeetrinken bei Mc Donald hat auf meinen Reisen sowieso schon Kultstatus. Das hängt nicht unbedingt mit dem hervorragenden Kaffee zusammen, aber mit der Möglichkeit meinen Zuckervorrat für den anstehenden Trip aufzufüllen. Falls ihr also nach mir an der Raststätte eingetroffen seid und kein Zucker mehr da war, es tut mir leid …
Basislager Canazei
Gestern Abend habe ich mir im Camper ein altes Dolomiten-Buch meiner bergsteigerbegeisterten Großeltern durchgelesen. Neben einigen veralteten aber lustigen Formulierungen, wie „der tüchtige Bergsteiger“, war dieses Buch echt gut geschrieben und ich konnte einige Touren für mich finden. Zusammen mit dem Buch habe ich Canazei als mein Basislager auserkoren. Von hier aus ist sowohl der Sella-Pass, der Fedaia-Pass und auch der Pass Pordoi schnell zu erreichen. Von dort starten viele Wanderwege. Auf dem Weg nach Canazei überlege ich auf dem Pass zu nächtigen, denn hier soll morgen meine erste Tour starten. Allerdings wird es auf 2250 m ü. M. noch kälter werden als gestrige Nacht auf 976 m ü. M in Heiterwang. Deshalb fahre ich hinab nach Canazei. Den Rest des Tages vertrödele ich in dem idyllischen Ort, der sich auf 1465 m ü. M befindet, und kaufe einige Lebensmittel.
Der Tag endet für mich bei ein paar Folgen „Pastewka“ im Camper.
Wer ist hier der Morgenmuffel
Am nächsten Morgen bin ich bereits um 7:00 Uhr wach um früh am Berg zu sein. Ab 13.00 Uhr ist Regen gemeldet und das treibt mich aus den Federn. Um kurz vor 8:00 Uhr erreiche ich mit meinem Mini-Camper den Pass Pordoi. Am steilen Pass zeigt sich, dass „Ruby“ ein noch größerer Morgenmuffel ist als ich. Mühsam schleppt sich mein getreues Gefährt die Serpentinen hinauf.
Als wir oben ankommen scheint die Sonne und es herrscht allgemein „Kaiserwetter“. Ich habe mir heute den Anstieg zum Piz Boe vorgenommen. Im Buch wurde der Anstieg „für einen tüchtigen Bergsteiger als ein fast geschenkter Dreitausender“ bezeichnet, zumindest wenn der erste Anstieg mit der Seilbahn auf das Hochplateau bewältigt wird. Da ich genug Zeit habe, kommt das für mich nicht in Frage.
Der Anstieg
Zusammen mit einem älteren Italiener beginne ich vom Parkplatz der Seilbahn den Aufstieg. Der ältere Herr ist trittsicher und schlägt ein gutes Tempo an. Dass ich lange Zeit schwer atmend hinter ihm herlaufe, schiebe ich auf die neuen Schuhe, die einfach noch eingelaufen werden müssen. Als der Weg von einer gesteckten unangenehm zu gehenden Treppe in ein Geröllfeld übergeht, schaffe ich es endlich vorbei zu kommen und ein gutes Stück Abstand zwischen uns zu bringen, der dem Altersunterschied gerecht wird. Abschütteln lässt der ältere Herr sich allerdings nicht und das Klackern seiner Stöcke im Geröll verfolgt mich noch länger.
Der Weg ist sehr steil und auf dem Geröll ist es wirklich schwer zu gehen. Die guten LOWA-Bergschuhe* geben die nötige Trittsicherheit. Ohne gutes Schuhwerk sind Gelenke und Bänder schnell überlastet. Die Serpentinen ziehen sich lange durch das Geröllfeld. Am Ende bilden zwei große Bergmassive ein Portal. Dieses Portal ist der Zugang zu einer anderen Welt.
Das Portal zu einer anderen Welt
Wenn ihr hier durchschreitet, seht ihr keinen Baum, keinen Strauch und keinen Grashalm mehr. Die Berge, Krater und Schluchten bilden eine unglaubliche karge und massive „Mondlandschaft“. Alleine für diesen Blick und diesen Moment, lohnt es sich den anstrengenden Anstieg der Seilbahn vorzuziehen.
Während ich staunend mit offenem Mund in die Ferne blicke, trifft hinter mir der ältere Herr ein und anerkennend nicken wir uns kurz zu. Von links kommen immer mehr Wanderer den Fels hinunter. Sie kommen von der Seilbahnstation und wollen zur Rifugio Boe oder dem Piz Boe und letzteres ist auch mein Ziel. Von meinem momentanen Standort ragt der Piz Boe wie ein Gigant aus der „Mondlandschaft“ heraus. Nach einem beinahe ebenerdigen Stück auf dem Gebirgspfad teilt sich der Weg. Eine Strecke führt direkt auf den Piz Boe und der andere Weg verläuft zuerst über die Rifugio Boe. Ich entscheide mich für den direkten Weg und schon bald stehe ich am Fuße des gigantischen Berges. Oben im Fels blitzen immer wieder einzelne Bergsteiger durch, die wohl noch früher gestartet sind als ich.
Der Anstieg zum Piz Boe
Es hilft nichts, wer da hoch will, muss rein in den Fels. Dieser ist teilweise mit Stahl-Trittstufen und Stahlseilen gesichert. Der Weg erfordert Konzentration, ist aber gut zu bewältigen. Ich kraxel’ ja gerne im Fels herum und bin hier voll in meinem Element. Durch die extreme Steile des Weges fallen die Höhenmeter mit jedem Schritt und schon bald setze ich zum ersten Mal meinen Fuß auf den Piz Boe.
Generationentreffen auf dem Gipfel
Meine Großeltern standen schon hier, meine Eltern standen schon hier und jetzt steh’ auch ich hier auf 3152 m. Eine kleine Hütte bietet Speis und Trank, ich allerdings setze mich etwas unterhalb des Gipfels auf einen Felsen und esse unter neidischen Blicken einer Bergdohle mein Proviant aus dem Rucksack.
Auf dem Gipfel ist einiges los und nach einem obligatorischen Gipfelfoto entscheide ich mich für den Abstieg über die Rifugio Boe. Das Wetter hält besser als angekündigt und bergab lege ich ein gutes Tempo vor. Die neuen Schuhe verhalten sich im Geröll wirklich super und ich komme kaum ins Rutschen. Die Hütte lasse ich seitlich liegen, einkehren möchte ich eh nicht und ich habe gerade einen guten Rhythmus. Der Weg hier unten ist weniger frequentiert und ich treffe längere Zeit auf keine anderen Bergsteiger, bis ich mich der Seilbahnstation nähere. Die Sonne scheint nach wie vor und im Vergleich zum Gipfel ist der Fleecepulli hier nicht zwingend nötig. Aufgrund des stabilen Wetters trete ich wieder den Abstieg durch das Portal, was mir vor einigen Stunden diese unglaubliche Landschaft eröffnet hat, an.
Das erste Stück ist wieder schwierig zu gehen, das Geröllfeld erfordert abwärts noch einmal viel Konzentration und Trittsicherheit. Nicht nur für mich selbst, sondern auch für die, die weiter unten laufen, könnte es böse Folgen haben, wenn ich einen Steinschlag auslöse.
„einfach“ ist einfach geil!
Auf halber Strecke entdecke ich in der Wiese abseits vom Wanderweg ein Brett, welches auf zwei Steinen gelagert ist. Ich mag einfache und praktische Dinge und so muss ich mich auf diese improvisierte Bank setzen. Mir huscht ein Lächeln über das Gesicht und schlagartig empfinde ich nicht nur Freude sondern auch Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, dass es mir möglich ist, diesen Berg zu besteigen und an so einem schönen Ort atemberaubende Ausblicke zu erleben. Dieses Privileg haben nicht alle Menschen und so genieße ich meine kurze Pause auf dieser frei gestalteten Bank mit Blick auf den Marmolada-Gletscher.
Zurück am Fahrzeug freue ich mich die Schuhe ausziehen zu können. Ich träume davon bereits seit 8:30 Uhr, wenn ich ehrlich bin. Mit den Socken könnte man nach dieser fünfstündigen Bergtour Mäuse aus ihren Löchern treiben. Und mein Fuß hat dem Druck des Schuhs an den Fersen auch nachgeben. Pflaster für die Blasen habe ich in weiser Voraussicht gekauft. Ich koche mir auf der Passhöhe im Heck von „Ruby“ noch einen Kaffee und genieße die Aussicht, die Höhe und die kühle aber frische Luft.
Du willst den Piz Boe ebenfalls besteigen? Dann ist die kleine Karte genau das richtige für dich. Neben dem Weg findest du darin auch besondere Orte aus meinem Bericht,
Viel Spaß!
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Nick, das ist wieder mal eine sehr gelungene und schöne Beschreibung deiner Tour. Da kriege ich auch sowas von Lust wieder mal loszuziehen, um auch dieses tolle Gefühl zu genießen ein Ziel erreicht zu haben.
Hast du ein Stativ mit Selbstauslöser? Oder hat dich jemand freundlich fotografiert? Jedenfalls tolle Bilder und wahnsinnig fantastische Aussichten.
Weiter so, ich wandere jedesmal ein kleines Stückchen mit.
Lieben Gruß von der „neidischen“ Elva – ist liebevoll gemeint.
Vielen Dank Elva, es freut mich, dass dir der Bericht gefällt und er dich zu neuen Abenteuern motiviert.
Ich habe teilweise ein Stativ benutzt. Meistens positioniere ich die Kamera allerdings einfach im Gelände und nutze den Filmmodus bzw. den Selbstauslöser.
Gruß Nick